Das Schiffs-Navi im Test
Noch steckt die Schiffsnavigation Navinaut in den Kinderschuhen, doch der Funktionsumfang wächst stetig und die Gründer sind guter Dinge, dass sowohl Funktionsumfang als auch Datenbestand immer weiter zunehmen werden. Ihr erklärtes Ziel: Schiffsnavigation so einfach und intuitiv zu gestalten wie die gewohnte Routenführung beim Auto. Ob der Online-Dienst halten kann, was er verspricht hat sich Seen.de nach einem großen Update des Dienstes für die Boot 2018 in Düsseldorf ansehen können.
Geboren aus der Not
Wie so viele neue Online-Dienste ist auch Navinaut aus einem konkreten Bedürfnis entstanden, in diesem Fall die Bootsüberführung eines Segelboots von Passau nach Duisburg. Nach intensiver Recherche von Kartendiensten wie Google Earth und traditionellen Schifferkarten merkten die Gründer von Navinaut: So einfach lässt sich die Strecke nicht planen. Es standen keine Informationen zu Schleusen, Durchfahrtshöhen oder Tiefgang zur Verfügung und aktuelle Daten zu möglichen Sperrungen waren natürlich ebenso Fehlanzeige. Sie beschlossen: Das können wir besser!
Zum ersten Mal stellten sie ihr neues System auf der Boot 2017 in Düsseldorf vor und merkten schnell, dass große Nachfrage nach einem Dienst existiert, der – ähnlich wie Google Maps für Autos – vorhandene Informationen zusammenträgt und sehr schnell Routeninformationen ausgibt. Mit dem Update für die Boot 2018 sind derzeit 25.000 Kilometer schiffbare Wasserwege in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Belgien in einer Datenbank zusammengetragen worden. Darüber hinaus kann der Dienst 10.000 Brücken, 3.000 Schleusen und 2.500 Häfen bei der Routenplanung berücksichtigen.
Der Praxistest: Volle Kraft voraus – oder doch nicht?
Für einen Praxistest hat Seen.de die Demoversion von Navinaut genutzt, die grundsätzlich allen interessierten Skippern für zwei Tage (allerdings mit leichten Einschränkungen in der Funktionsweise) zur Verfügung steht. Diese Testfunktion bewerten wir unter anderem deshalb positiv, weil sie nicht nach zwei Tagen automatisch in ein zahlungspflichtiges Abo-Modell überführt wird, sondern ohne weitere Verpflichtungen ausläuft.
Negativ schlägt allerdings die fehlende App zu Buche. Zwar ist die mobile Website dank angepasster Bedienelemente einigermaßen gut und tatsächlich intuitiver als am Desktop zu bedienen, dennoch fehlen Komfort-Funktionen, die man heutzutage von einem Navi-Dienst erwartet, wie z. B. die Möglichkeit, Routen in einer App zu speichern oder offline zu betrachten. Navinaut versucht dies durch einen GPX-Download, der in entsprechende Navigationsgeräte importiert werden kann, zu beheben – was ein gutes Feature ist, aber letztlich nicht dem eigenen Anspruch gerecht wird, die Navigation für das Boot so einfach zu gestalten wie sie für das Auto möglich ist.
Auch was intuitive Bedienbarkeit angeht, steht Navinaut eindeutig hinter den Wettbewerbern aus dem Straßenverkehr zurück. Statt Start- und Zielpunkt untereinander eingeben zu können müssen beide Punkte separat eingegeben und als Start- bzw. Zielpunkt festgelegt werden. Dass dies über eine Funktion erledigt werden muss, die irreführenderweise „Suche“ heißt macht den Einstieg nicht gerade einfacher. Ist man einmal mit der Bedienung vertraut, fallen diese Punkte kaum noch ins Gewicht – dennoch würde es dem Dienst gut tun, sich gerade bei den vertrauten Elementen stärker an der Konkurrenz zu orientieren, um neuen Nutzern den Einstieg zu erleichtern und vorhandenen Nutzern mehr Komfort zu bieten. Davon abgesehen läuft der Dienst allerdings angenehm rund. Eine Suche nach der Stadt Bonn fördert nicht nur den Wegpunkt „Bonn“ zutage, sondern auch den Yachtclub Mittelrhein e. V.; der Dienst weiß also, wo der Yachtclub liegt und bietet ihn als gängigen Startpunkt an, obwohl im Namen nicht das Wort „Bonn“ vorkommt. Nun kann man ein Ziel und die Rahmenparameter für das Schiff angeben. Das ist praktisch, denn so kann das System zumindest theoretisch ungeeignete Wasserwege von vornherein ausschließen.
Die Routenberechnung war im Test teilweise sehr zügig (z. B. auf der Strecke von Marina Wolfsbruch nach Bad Saarow), teilweise rechnete der Dienst lange Zeit ohne Ergebnis vor sich hin (z. B. auf der Strecke Bonn – Düsseldorf, die eigentlich durch die Rheinverbindung keine Probleme hätte verursachen dürfen). Auch hier fehlen wieder Komfortfunktionen, so kann die Berechnung der Route nicht abgebrochen werden, stattdessen muss der Dienst neu geladen werden. Spätestens bei einer langsamen Edge-Verbindung auf irgendeinem Kanal im Nirgendwo wird diese kleine Funktion schnell fehlen.
Dass nach der vollständigen Berechnung der Route statt einer Gesamtlänge nur die km-Zahl für den ersten Schritt angezeigt wird ist ebenso irritierend wie überflüssig. Auch ungewöhnlich: Es lassen sich keine Zwischenziele definieren, stattdessen können nur Wegpunkte ausgeschlossen werden. Das mag zwar dazu führen, dass keine unmöglichen Routen berechnet werden – nutzerfreundlich ist es dadurch nicht. Aber es gibt auch sehr praktische Features: Man kann sich für die Ergebnisse der Suche gleich auch die Kontaktdaten ausgeben lassen – das ist sehr hilfreich, wenn man z. B. eine Frage zu den örtlichen Gegebenheiten hat und so direkt in Kontakt treten kann.
Ist man erst einmal mit den Eigenheiten des Systems vertraut, entpuppt sich der Dienst als eine wertvolle Unterstützung bei der Routenplanung. Seine wahre Stärke spielt er nämlich durch die große Datenbank an Wegpunkten aus: Hier werden nicht einfach nur Markierungen entlang der Route gesetzt, sondern alle Häfen, Brücken und Schleusen entlang der Route angezeigt; außerdem werden alle Häfen entlang der Route ausgegeben – mit Informationen dazu, ob vor Ort Slipanlagen, Toiletten, Duschen usw. vorhanden sind. Das macht auch mehrtägige Trips planbar und ist durch die Verknüpfung mit Website und Telefonnummer der jeweiligen Ansprechpartner eine echte Hilfe! Und natürlich gilt auch hier: Je mehr Nutzer aktiv sind, desto vollständiger und aktueller wird die Datenbank.
Das Fazit: Starke Basis, schwache Details
Nach mehrmaligen Versuchen berechnet sich die Route zwischen Bonn und Düsseldorf als hätte es nie Schwierigkeiten gegeben. Vielleicht hatte der Server Schluckauf – grundsätzlich jedenfalls geben wir für die Datenbank und die schnelle Routenplanung volle Punktzahl. Wenn man sich die Gründungsgeschichte von Navinaut vor Augen führt wird vielleicht auch deutlich, warum die Stärken des Dienstes gerade in der Planung liegen.
Nachbesserungsbedarf besteht vor allem in den Detailfunktionen – hier bleibt der Dienst weit hinter dem eigenen Anspruch eines „Schiffsnavis“ zurück. Der GPX-Export verhindert zwar schlimmeres bei der Routenführung, denn so können Offline-Alternativen zur Hilfe gezogen werden – dennoch ist die fehlende App ein großes Manko in einer Zeit, in der kaum ein Skipper ohne Smartphone an Bord geht. Darüber kann auch die vergleichsweise gut gemachte mobile Website nicht hinwegtäuschen.
Eine Reihe von Erklärvideos dienen derzeit bei Navinaut noch als Brücke zwischen intuitiver Bedienung und der Realität des Dienstes. Aber: Für einen Preis von 29,90 im Jahr kann man diese Schwächen (noch) verzeihen. Das ist jedenfalls günstiger als die Anschaffung zahlloser Schiffskarten – und schneller als diese zu wälzen sowieso. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Entwickler ein paar Kritikpunkte der Nutzer zu Herzen nehmen und sich nicht auf den durchaus starken Basisfunktionen ausruhen.